"Gastarbeiter" - Entscheidung gegen technikinduziertes Wachstum?
Projekt - Fakultät für Natur- und Sozialwissenschaften - Institut für Ökonomie und ihre Didaktik
Status:abgeschlossen
Kurzinhalt:Erkenntnisleitendes Interesse ist die Frage, warum die Industrie eines Hochtechnologielandes mit einem hochmodernen Produktionsapparat und einem - durch Flüchtlinge und Vertriebene erzeugten - großen Arbeitskräftereservoir ein Anwerbeabkommen mit Italien abschließt und anschließend, im Zeichen eines Vollbeschäftigten Arbeitsmarktes, weitere Abkommen zur Anwerbung ausländischer, vorwiegend ungelernter Arbeitskräfte folgen lässt. Bereits die Volkswirte diskutierten die damit bedingte Verhinderung technikinduzierten Wachstums in den 1960er-Jahren.
Eine verbesserte Quellenlage sowie die systematische Sichtung regierungsamtlicher, bis dato nicht eingesehener Akten erzwingen anschließend jedoch die Forschungsrichtung und eine damit verbundene Neubewertung bundesdeutscher Ausländerpolitik in der Zeit von 1953 bis 1973.
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Ergebnis:Entgegen der Annahme, die westdeutsche Anwerbepolitik sei ausschließlich den Bedürfnissen der Industrie gefolgt, zeigt diese Studie, dass sämtliche Initiativen zur Entsendung ausländischer Arbeitskräfte von den Herkunftsländern ausgingen. Damit versuchten Italien, Griechenland oder Jugoslawien ihre aus der westdeutschen Exportstärke resultierenden Devisenprobleme sowie Arbeitslosigkeit reduzieren, oder, wie im Falle Portugals, der sich bereits im Gange befindlichen Emigration qualifizierter Arbeitskräfte entgegensteuern zu können. Ebenso verfolgten Spanien, die Türkei, Marokko und Tunesien jeweils eigene wirtschaftliche Interessen.
Von bundesdeutscher Seite folgten die Anwerbevereinbarungen weder arbeitsmarkt- noch wirtschaftspolitischen Erwägungen, sondern den Prinzipien klassischer Außenpolitik, in der die Bemühungen um die europäische Integration, einen potenziellen NATO-Partner oder um Entspannung im Ost-West-Verhältnis die entscheidende Rolle spielten.
Eine verbesserte Quellenlage sowie die systematische Sichtung regierungsamtlicher, zum Teil unverzeichneter Akten erzwingen insofern eine Neubewertung bundesdeutscher Ausländerpolitik in der Zeit von 1953 bis 1973. Auch lässt die solchermaßen definierte Ausländerpolitik, die ein stärker technikinduziertes Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland bis 1973 verhindert hat, erstmals auch eine fundierte Neubewertung des Anwerbestopps von 1973 zu.

Literaturhinweis:
Knortz, Heike: Diplomatische Tauschgeschäfte. »Gastarbeiter« in der westdeutschen Diplomatie und Beschäftigungspolitik 1953 – 1973. Köln/Weimar/Wien, 2008.
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Projektdauer:01.04.2003 bis 30.09.2007
Projektbeteiligte:
apl. Prof. Dr. Knortz, Heike [Profil]


Verweis auf Webseiten:
Projekthomepage
https://www.ph-karlsruhe.de/institute/ph/oekonomie/personen/knortz-ohne-bild/laufende-forschungsprojekte/aussenhandel-zahlungsbilanzdefizite-gastarbeiter/
Angehängte Dateien:
keine
Erfasst von apl. Prof. Dr. Heike Knortz am 07.04.2018
Zuletzt geändert von apl. Prof. Dr. Heike Knortz am 04.05.2018
    
Projekt-ID:81